Aktuelle Situation
Hinweisgeberschutz in der Schweiz
In der Schweiz ist der Schutz von Whistleblowern ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Whistleblower – Personen, die Missstände, illegale Praktiken oder Gefahren für die Allgemeinheit melden – tragen wesentlich dazu bei, Transparenz und Integrität in der Verwaltung zu fördern. Wir gehen hier auf den Hinweisgeberschutz in der Schweiz ein.

Kein spezifisches Gesetz zum Hinweisgeberschutz
Anders als in vielen EU-Ländern gibt es in der Schweiz derzeit kein umfassendes, spezifisches Gesetz, das Whistleblower explizit schützt. Stattdessen müssen sich Hinweisgeber auf bestehende Gesetze stützen, die nur in bestimmten Bereichen Schutz bieten, wie etwa im Strafrecht, Arbeitsrecht oder Datenschutzrecht. Diese Fragmentierung führt oft zu Unsicherheiten, sowohl für Whistleblower als auch für Arbeitgeber.
Die rechtlichen Grundlagen zum Hinweisgeberschutz in der Schweiz sind begrenzt:
Strafrecht
In Fällen schwerer Vergehen, wie Korruption oder anderen strafbaren Handlungen, kann eine Meldung durch Whistleblower legitim sein, jedoch besteht kein umfassender Schutz vor Repressalien.
Datenschutz
Sowohl für den Whistleblower als auch für die gemeldete Partei gelten strenge Datenschutzrichtlinien, die oft die Weitergabe von Informationen einschränken.
Arbeitsrecht
Whistleblower sind verpflichtet, Meldungen zunächst intern an den Arbeitgeber zu richten, bevor sie sich an die Öffentlichkeit wenden. Eine direkte externe Meldung kann zu rechtliche Konsequenzen führen.

Reformbestrebungen zum Hinweisgeberschutz
In den letzten Jahren gab es verschiedene Initiativen, um den Schutz von Whistleblowern zu verbessern:
- Bundesgesetzgebung: Das Schweizer Parlament hat in der Vergangenheit mehrere Versuche unternommen, ein Gesetz für Whistleblower zu verabschieden. Diese scheiterten jedoch meist an Uneinigkeit über den Umfang und die Details des Schutzes.
- Internationale Verpflichtungen: Als Mitgliedstaat internationaler Organisationen wie der OECD steht die Schweiz unter Druck, strengere Regelungen einzuführen, um Korruption und Missmanagement effektiver zu bekämpfen.
Herausforderungen für Whistleblower ohne ausreichenden Hinweisgeberschutz
Whistleblower in der Schweiz stehen vor erheblichen Herausforderungen:
Rechtliche Unsicherheit
Ohne klare gesetzliche Regelungen riskieren Hinweisgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Soziale Stigmatisierung
In vielen Fällen erfahren Whistleblower Anfeindungen oder Isolation am Arbeitsplatz.
Fehlende Meldekanäle
Viele Unternehmen in der Schweiz verfügen nicht über vertrauliche und sichere Mechanismen, um Missstände zu melden.
Vergleich zur EU
Die fehlende Whistleblower-Richtlinie in der Schweiz
Die Europäische Union hat 2019 mit der Whistleblower-Richtlinie einen bedeutenden Schritt in Richtung eines starken Hinweisgeberschutzes gemacht. Diese Richtlinie verpflichtet Unternehmen und Institutionen, sichere Meldekanäle einzurichten und Whistleblower vor Repressalien zu schützen. In der Schweiz fehlt eine vergleichbare gesetzliche Grundlage, was das Land im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten lässt.

Was ist bisher geschehen?
Der Weg zum Hinweisgeberschutz in der Schweiz ist lang und von zahlreichen Diskussionen geprägt. Im Folgenden wird der bisherige Verlauf der Bemühungen zur Einführung eines wirksamen Hinweisgeberschutzes skizziert.
2008: Der erste Schritt
Am 5. Dezember 2008 unternimmt der Bundesrat einen ersten Schritt in Richtung Hinweisgeberschutz. Er schickt eine Teilrevision des Obligationenrechts (OR) in die Vernehmlassung. Ziel dieser Revision ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Whistleblower zu klären und zu verbessern.
2010: Zweite Vernehmlassung
Am 1. Oktober 2010 schickt der Bundesrat eine weitere Teilrevision des Obligationenrechts in die Vernehmlassung. Ziel dieser Überarbeitung ist es, auf die Kritikpunkte aus der ersten Vernehmlassung einzugehen und mögliche Anpassungen zu erörtern.
2013: Botschaft zur Teilrevision des Obligationenrechts
Am 20. November 2013 verabschiedet der Bundesrat die Botschaft zur Teilrevision des Obligationenrechts. Diese Botschaft konkretisiert die Vorschläge zum Whistleblower-Schutz und zeigt, wie Hinweisgeber besser vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden könnten. Die Botschaft bildet die Grundlage für die parlamentarischen Beratungen.
2018: Zusatzbotschaft des Bundesrats
Am 21. September 2018 verabschiedet der Bundesrat eine Zusatzbotschaft zur Teilrevision des Obligationenrechts. Ziel der Zusatzbotschaft ist es, die bestehenden Vorschläge zu präzisieren und offene Fragen zu klären. Diese Überarbeitung soll die parlamentarischen Beratungen erleichtern und sicherstellen, dass die Anliegen des Hinweisgeberschutzes umfassend berücksichtigt werden.
2009: Erkenntnisse aus der Vernehmlassung
Ein Jahr später, am 16. Dezember 2009, nimmt der Bundesrat die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis. Die Rückmeldungen zeigen, dass noch viele Fragen offen sind. Bevor der Bundesrat über das weitere Vorgehen entscheidet, beauftragt er das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), die im geltenden Recht vorgesehenen Sanktionen bei Kündigungen zu überprüfen. Dies deutet darauf hin, dass ein stärkerer Schutz vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen für Whistleblower notwendig ist.
2012: Auftrag zur Ausarbeitung der Botschaft
Nach weiteren Diskussionen beauftragt der Bundesrat am 21. November 2012 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), eine Botschaft zur Teilrevision des Obligationenrechts auszuarbeiten. Im Mittelpunkt steht der Schutz von Whistleblowern. Dies markiert einen entscheidenden Wendepunkt, da die Botschaft eine klare Grundlage für die Einführung konkreter Schutzmaßnahmen bildet.
Parlamentarische Beratungen
Nach der Verabschiedung der Botschaft wird die Vorlage im Parlament behandelt. Unter der Dossiernummer 13.094erfolgt die parlamentarische Beratung zur Teilrevision des Obligationenrechts. Die Debatten im Parlament sind von Meinungsverschiedenheiten geprägt, insbesondere in Bezug auf die Verpflichtung von Whistleblowern, zunächst interne Meldungen abzugeben, bevor sie sich an externe Stellen wenden dürfen.
Fazit
Trotz dieser umfangreichen Bemühungen gibt es in der Schweiz bis heute kein spezifisches Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. Die Versuche des Bundesrats, mit verschiedenen Teilrevisionen des Obligationenrechts den Hinweisgeberschutz zu stärken, haben bisher nicht zu einer einheitlichen gesetzlichen Regelung geführt. Dennoch zeigen die bisherigen Schritte, dass das Thema auf der politischen Agenda steht und fortlaufend diskutiert wird. Ein wirksamer Hinweisgeberschutz erfordert jedoch weitergehende gesetzliche Massnahmen, um Whistleblower vor arbeitsrechtlichen Nachteilen und Repressalien zu schützen.
FAQ zum Hinweisgeberschutz in der Schweiz
Warum gibt es in der Schweiz noch kein spezifisches Gesetz zum Schutz von Whistleblowern?
Trotz mehrerer Anläufe des Bundesrats und verschiedener parlamentarischer Beratungen gibt es bisher keine einheitliche gesetzliche Regelung. Die Vorschläge zur Teilrevision des Obligationenrechts stiessen immer wieder auf Widerstand, da insbesondere die Frage, ob Whistleblower zunächst intern oder direkt extern melden dürfen, umstritten ist. Auch die genaue Ausgestaltung des Schutzes vor Kündigung oder anderen Repressalien wurde kontrovers diskutiert. Bis heute existieren nur punktuelle Regelungen im Arbeitsrecht, Strafrecht und Datenschutzrecht, die den Schutz der Hinweisgeber unvollständig lassen.
Welche Schritte hat der Bundesrat unternommen, um den Hinweisgeberschutz zu stärken?
Der Bundesrat hat seit 2008 mehrere Teilrevisionen des Obligationenrechts angestoen, die den Schutz von Whistleblowern verbessern sollten. Nach der ersten Vernehmlassung 2009 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), eine umfassendere Vorlage auszuarbeiten. 2013 wurde eine Botschaft zur Teilrevision des Obligationenrechts verabschiedet, die den Schutz von Whistleblowern konkretisieren sollte. Im Jahr 2018 folgte eine Zusatzbotschaft, um die Vorschläge zu überarbeiten. Trotz dieser Bemühungen ist bislang keine umfassende gesetzliche Regelung verabschiedet worden.